Uraltes Brauchtum blieb in Lauda lange lebendig in der
"Laudemer Faschenoochd" (1545-1900)Quelle:Karl Scheck: Schicksale einer ehemaligen fränkischen Oberamtsstadt
Die alten Stadtrechnungen berichten darüber:
15451 1/4 Gulden 31h Pfennig für 2/4 Weins denen geschenkt, die das Kalb gezogen auf die Fasnacht.
5 Kreuzer 21h Pfennig den Knechten, da sie die Hafenburg gemacht haben.
15512 Kreuzer einem von Niklashausen zur Verehrung, hat einen alten Wolf hier umtragen.
1 Gulden den jungen Gesellen zu einer Verehrung nach altem Brauch „wie sie zur Fasnachtszeit eine Wagenburg aufgeschlagen und den Wilden Mann gejagt haben“.
5 Kreuzer 41f2 Pfennig für 31f2 Maß Weins, die Maß zu 8 Pfennig, den Knaben geschenkt, die das Kalb uf die Aschermittwochen gezogen haben.
5 Kreuzer 3 Pfennig auf Geheiß eines Rats in die Kirchen geschenkt, als man auf Fasnacht mit dem Pastor gegessen hat.
15541 Gulden kostet gegen die jungen Gesellen, so zur Fasnachtszeit eine Hafenburg aufgerichtet und den Wilden Mann haben gejagt.
Item 4 Kreuzer den Knaben, so nach altem Brauch das Kalb haben gezogen.
1569 wurde wieder an Fasnacht der Wilde Mann gejagt.
15881 Gulden den jungen Gesellen, so auf Aschermittwoch den Wilden Mann gejagt nach altem Brauch.
16086 Pfund 9 Pfennig etlichen jungen Gesellen allhier, welche an der Fasnacht altem Brauch nach eine Comedi agiert, verehrt.
16092 Pfund 20 Pfennig für 2/4 Wein an der Fasnacht altem Brauch nach den Bürgern verehrt.
3 Pfund 26 Pfennig den beiden Steinmetzen, welche den Predigtstuhl gemacht am Fasnachtstag für die Zech verehrt (ob in die Kirche oder für Fasnacht?).
16123 Gulden etlichen Bürgern und Bürgersöhnen allhier verehrt, so auf die Fasnacht auf freiem Markt eine Comedi agiert.
3 1/2 Gulden gleichfalls denen von Gerlachsheim, so nach den Laudaern eine „Comedi vom Ritter Galmi“ agiert, verehrt.
16181 Pfund 20 Pfennig für 3/4 Wein den Bürgern uf der Herrenfasnacht über Tisch ufm Rathaus altem Brauch nach verehrt.
1696Ratstag vom 3. März - folgende Jugendliche sind angeklagt:
Otto Behringer, Niklas Wolper, Bartel Behringer, Paul Hahn, Ziegler, Thomas Fleinspacher, Balz Vierneußlers Sohn, der Ältest, Georg Spönle, Stumpf Michaels Größter, Otto Mohr.
Otto Behringer sagt aus: „des Vierneußels und Stumpfen Sohn hätten sich verkleidet, ihre Bauernkleider unten, das rote wüllene Hemd oben angehabt, es habe gesehen ganz schwarz wie ein Karmeliter von Dinkelsbühl.“
Urteil: „Weil obige 9 junge Kerls ohnlängst auf Mathiastag zu nachts des Herrn Kellers Magd und Herrn Stadtpfarrer Jung, welche mit einer Laterne mit Briefen zum Boten gehen wollten, nit allein das Licht ausgelöscht, sondern vermutlicher Weis die Magd und Jung in S. V. Kot geworfen und herumgezogen, also ist einhellig beschlossen worden, daß diese 9 Gesellen, wie wohl sie den Bock verdient, zu wohlverdienter Straf, ein jeder 3 Gulden an Geld ohnfehlbar morgen Sonntag erlegen, oder welcher solche nit zahlen würde, dafür 15 Tag an der Kirche arbeiten und nächsten Montag anfangen sollen. Und wenn einer einen Tag aussetzen oder ausbleiben würde, derselbe 2 Tage dafür arbeiten solle.“ (Es war nach dem großen Kirchenbrand 1694 )Selbst die andauernden Kriege des 17. bis Anfang des 19. Jahrhunderts brachten dieses alte Brauchtum nicht zum Schwinden. Wohl wusste niemand mehr etwas vom „Jagen des Wilden Mannes“ (= Winter austreiben), von der Errichtung von „Hafen- und Wagenburgen“, aber noch immer beherrschten an Fasnacht die „Faschebouze“ das Straßenbild. Die ältesten Laudaer werden sich noch an das Narrentreiben auf den Straßen am Ende des vergangenen Jahrhunderts erinnern. Die Bouzen waren entweder in abgetragene Kleider vermummt als „Herrli“ oder „Frali“, sie glichen wandelnden Vogelscheuchen, mit denen man früher in den zahlreichen Weinbergen die Vögel verscheucht hatte. Sie kamen damit dem Sinn der alten Fasnacht, die bösen Dämonen in Feld und Flur zu vertreiben, sie zu „böizen“, ihnen Angst zu machen, am nächsten. Sie kleideten sich aber auch in alte Mäntel, in Metzgers- oder Bäckerskittel, mit einem Strick oder einer Kette als Gürtel, an den Füßen Rohrstiefel, auf dem Kopf eine gotische, tütenförmige Kopfbedeckung mit farbigen herabhängenden Bändern, wie sie die Frauen im Mittelalter trugen.
Masken konnte man um die Jahrhundertwende nur für teueres Geld im Laden kaufen. Mein (Karl Schrecks) Vater z. B. machte sie selbst aus einer starken Pappe. Öffnungen für Mund, Augen und Nase wurden ausgeschnitten, letztere aufgeleimt. Das Ganze verklebte man innen und außen mit feinem Leinen und bemalte es mit Wasserfarben. Die im Anhang abgebildeten Holzmasken stammen aus der Rhön. Herr Restaurator Hahner, Würzburg, der Besitzer dieser Masken, ist der Ansicht, dass sie schwedische Soldaten darstellen. Die typischen Seemannsgesichter tragen Spitz- und Schnurrbärte, wie dies im 17. Jahrhundert Mode war. Angst hatte das Volk vor allem vor den Schweden. Die Mütter sangen die Kinderlieder: „Bet, Kindie, bet, morgen kommt der Schwed“ oder „Maikäfer flieg, der Vatter ist im Krieg, die Mutter ist im Pommerland, Pommerland ist abgebrannt“. Angst zu machen; war ja der Sinn der Fasnacht.
In den Händen trugen die Masken eine Rätsche zum Lärmen oder eine mit Luft gefüllte Schweinsblase, die mit einem Bindfaden an einem Stecken befestigt war. Diese Gestalten bewegten sich bedächtig, im 3/4 Takt tanzend, durch die Gassen, wobei sie abwechselnd einmal mit dem rechten, dann mit dem linken Bein in die Knie gingen. Erspähten sie ein Opfer, ein Mädchen, dann eilten sie auf dasselbe zu, um es mit der Schweinsblase zu berühren; denn ein Schlagen war das nicht, die Blase war ja zu leicht um jemand weh zu tun. Es war ein alter Fruchtbarkeitszauber; er erinnert an einen Osterbrauch in Russland. Dort stellten sich die Burschen mit langen Birkenruten am Karsamstag abends vor der Kirchtüre auf und fitzten den Mädchen, die aus der Kirche kamen, über die Waden. Mit den Rätschen machten die Bouzen einen „Heidenspektakel“, um die Dämonen aus Feld und Flur zu verjagen. Diese waren ja gerade jetzt, wo der Saft in der Natur zu steigen beginnt, für Tiere und Pflanzen besonders gefährlich.
Bei schönem Wetter war das alles harmlos, aber nicht bei Regenwetter. An den Fasnachtstagen fanden in der Kirche Betstunden statt. Auf den Straßen warteten die Bouzen schon darauf, bis Mädchen und Frauen die Kirche verließen. Die Straßen waren längst nicht mehr gepflastert, sondern mit kleinen Kalksteinen eingeschottert, die bei Regenwetter zu einem schmutzigen Brei wurden. Die schönen, langen Kleider und Hüte der Damen wurden durch das Schlagen auf die nassen Straßen mit den zusammengeschrumpften Schweinsblasen derart beschmutzt, dass Klagen bei allem Spaß nicht ausblieben. Daraufhin wurde dieser Brauch vom Bezirksamt verboten. Nun fertigte Küfer Beil Pritschen aus Holz. Dieses war aber auch nicht das Richtige; denn es wurden zwar nicht die Kleider beschädigt, aber es gab blaue Flecken auf der Haut. Also wurde auch das untersagt. Als dann schließlich die Industrie einen Ersatz in Form von Pritschen aus Pappe herausbrachte, war die alte Straßenfasnacht bereits tot. Die Faschebouze retteten sich im so genannten „Lumpenball“ in unsere Tage. Sie gehören aber auf die Straße und nicht ins Tanzlokal. Im Zeitalter des Fernsehens lernen die Leute wohl zwischen echtem Brauchtum und Geschäftemacherei zu unterscheiden.
"Laudemer Faschenoochd" (1545-1900)Quelle:Karl Scheck: Schicksale einer ehemaligen fränkischen Oberamtsstadt
Die alten Stadtrechnungen berichten darüber:
15451 1/4 Gulden 31h Pfennig für 2/4 Weins denen geschenkt, die das Kalb gezogen auf die Fasnacht.
5 Kreuzer 21h Pfennig den Knechten, da sie die Hafenburg gemacht haben.
15512 Kreuzer einem von Niklashausen zur Verehrung, hat einen alten Wolf hier umtragen.
1 Gulden den jungen Gesellen zu einer Verehrung nach altem Brauch „wie sie zur Fasnachtszeit eine Wagenburg aufgeschlagen und den Wilden Mann gejagt haben“.
5 Kreuzer 41f2 Pfennig für 31f2 Maß Weins, die Maß zu 8 Pfennig, den Knaben geschenkt, die das Kalb uf die Aschermittwochen gezogen haben.
5 Kreuzer 3 Pfennig auf Geheiß eines Rats in die Kirchen geschenkt, als man auf Fasnacht mit dem Pastor gegessen hat.
15541 Gulden kostet gegen die jungen Gesellen, so zur Fasnachtszeit eine Hafenburg aufgerichtet und den Wilden Mann haben gejagt.
Item 4 Kreuzer den Knaben, so nach altem Brauch das Kalb haben gezogen.
1569 wurde wieder an Fasnacht der Wilde Mann gejagt.
15881 Gulden den jungen Gesellen, so auf Aschermittwoch den Wilden Mann gejagt nach altem Brauch.
16086 Pfund 9 Pfennig etlichen jungen Gesellen allhier, welche an der Fasnacht altem Brauch nach eine Comedi agiert, verehrt.
16092 Pfund 20 Pfennig für 2/4 Wein an der Fasnacht altem Brauch nach den Bürgern verehrt.
3 Pfund 26 Pfennig den beiden Steinmetzen, welche den Predigtstuhl gemacht am Fasnachtstag für die Zech verehrt (ob in die Kirche oder für Fasnacht?).
16123 Gulden etlichen Bürgern und Bürgersöhnen allhier verehrt, so auf die Fasnacht auf freiem Markt eine Comedi agiert.
3 1/2 Gulden gleichfalls denen von Gerlachsheim, so nach den Laudaern eine „Comedi vom Ritter Galmi“ agiert, verehrt.
16181 Pfund 20 Pfennig für 3/4 Wein den Bürgern uf der Herrenfasnacht über Tisch ufm Rathaus altem Brauch nach verehrt.
1696Ratstag vom 3. März - folgende Jugendliche sind angeklagt:
Otto Behringer, Niklas Wolper, Bartel Behringer, Paul Hahn, Ziegler, Thomas Fleinspacher, Balz Vierneußlers Sohn, der Ältest, Georg Spönle, Stumpf Michaels Größter, Otto Mohr.
Otto Behringer sagt aus: „des Vierneußels und Stumpfen Sohn hätten sich verkleidet, ihre Bauernkleider unten, das rote wüllene Hemd oben angehabt, es habe gesehen ganz schwarz wie ein Karmeliter von Dinkelsbühl.“
Urteil: „Weil obige 9 junge Kerls ohnlängst auf Mathiastag zu nachts des Herrn Kellers Magd und Herrn Stadtpfarrer Jung, welche mit einer Laterne mit Briefen zum Boten gehen wollten, nit allein das Licht ausgelöscht, sondern vermutlicher Weis die Magd und Jung in S. V. Kot geworfen und herumgezogen, also ist einhellig beschlossen worden, daß diese 9 Gesellen, wie wohl sie den Bock verdient, zu wohlverdienter Straf, ein jeder 3 Gulden an Geld ohnfehlbar morgen Sonntag erlegen, oder welcher solche nit zahlen würde, dafür 15 Tag an der Kirche arbeiten und nächsten Montag anfangen sollen. Und wenn einer einen Tag aussetzen oder ausbleiben würde, derselbe 2 Tage dafür arbeiten solle.“ (Es war nach dem großen Kirchenbrand 1694 )Selbst die andauernden Kriege des 17. bis Anfang des 19. Jahrhunderts brachten dieses alte Brauchtum nicht zum Schwinden. Wohl wusste niemand mehr etwas vom „Jagen des Wilden Mannes“ (= Winter austreiben), von der Errichtung von „Hafen- und Wagenburgen“, aber noch immer beherrschten an Fasnacht die „Faschebouze“ das Straßenbild. Die ältesten Laudaer werden sich noch an das Narrentreiben auf den Straßen am Ende des vergangenen Jahrhunderts erinnern. Die Bouzen waren entweder in abgetragene Kleider vermummt als „Herrli“ oder „Frali“, sie glichen wandelnden Vogelscheuchen, mit denen man früher in den zahlreichen Weinbergen die Vögel verscheucht hatte. Sie kamen damit dem Sinn der alten Fasnacht, die bösen Dämonen in Feld und Flur zu vertreiben, sie zu „böizen“, ihnen Angst zu machen, am nächsten. Sie kleideten sich aber auch in alte Mäntel, in Metzgers- oder Bäckerskittel, mit einem Strick oder einer Kette als Gürtel, an den Füßen Rohrstiefel, auf dem Kopf eine gotische, tütenförmige Kopfbedeckung mit farbigen herabhängenden Bändern, wie sie die Frauen im Mittelalter trugen.
Masken konnte man um die Jahrhundertwende nur für teueres Geld im Laden kaufen. Mein (Karl Schrecks) Vater z. B. machte sie selbst aus einer starken Pappe. Öffnungen für Mund, Augen und Nase wurden ausgeschnitten, letztere aufgeleimt. Das Ganze verklebte man innen und außen mit feinem Leinen und bemalte es mit Wasserfarben. Die im Anhang abgebildeten Holzmasken stammen aus der Rhön. Herr Restaurator Hahner, Würzburg, der Besitzer dieser Masken, ist der Ansicht, dass sie schwedische Soldaten darstellen. Die typischen Seemannsgesichter tragen Spitz- und Schnurrbärte, wie dies im 17. Jahrhundert Mode war. Angst hatte das Volk vor allem vor den Schweden. Die Mütter sangen die Kinderlieder: „Bet, Kindie, bet, morgen kommt der Schwed“ oder „Maikäfer flieg, der Vatter ist im Krieg, die Mutter ist im Pommerland, Pommerland ist abgebrannt“. Angst zu machen; war ja der Sinn der Fasnacht.
In den Händen trugen die Masken eine Rätsche zum Lärmen oder eine mit Luft gefüllte Schweinsblase, die mit einem Bindfaden an einem Stecken befestigt war. Diese Gestalten bewegten sich bedächtig, im 3/4 Takt tanzend, durch die Gassen, wobei sie abwechselnd einmal mit dem rechten, dann mit dem linken Bein in die Knie gingen. Erspähten sie ein Opfer, ein Mädchen, dann eilten sie auf dasselbe zu, um es mit der Schweinsblase zu berühren; denn ein Schlagen war das nicht, die Blase war ja zu leicht um jemand weh zu tun. Es war ein alter Fruchtbarkeitszauber; er erinnert an einen Osterbrauch in Russland. Dort stellten sich die Burschen mit langen Birkenruten am Karsamstag abends vor der Kirchtüre auf und fitzten den Mädchen, die aus der Kirche kamen, über die Waden. Mit den Rätschen machten die Bouzen einen „Heidenspektakel“, um die Dämonen aus Feld und Flur zu verjagen. Diese waren ja gerade jetzt, wo der Saft in der Natur zu steigen beginnt, für Tiere und Pflanzen besonders gefährlich.
Bei schönem Wetter war das alles harmlos, aber nicht bei Regenwetter. An den Fasnachtstagen fanden in der Kirche Betstunden statt. Auf den Straßen warteten die Bouzen schon darauf, bis Mädchen und Frauen die Kirche verließen. Die Straßen waren längst nicht mehr gepflastert, sondern mit kleinen Kalksteinen eingeschottert, die bei Regenwetter zu einem schmutzigen Brei wurden. Die schönen, langen Kleider und Hüte der Damen wurden durch das Schlagen auf die nassen Straßen mit den zusammengeschrumpften Schweinsblasen derart beschmutzt, dass Klagen bei allem Spaß nicht ausblieben. Daraufhin wurde dieser Brauch vom Bezirksamt verboten. Nun fertigte Küfer Beil Pritschen aus Holz. Dieses war aber auch nicht das Richtige; denn es wurden zwar nicht die Kleider beschädigt, aber es gab blaue Flecken auf der Haut. Also wurde auch das untersagt. Als dann schließlich die Industrie einen Ersatz in Form von Pritschen aus Pappe herausbrachte, war die alte Straßenfasnacht bereits tot. Die Faschebouze retteten sich im so genannten „Lumpenball“ in unsere Tage. Sie gehören aber auf die Straße und nicht ins Tanzlokal. Im Zeitalter des Fernsehens lernen die Leute wohl zwischen echtem Brauchtum und Geschäftemacherei zu unterscheiden.