Brauchtum
Die Narrengesellschaft Lauda
Am Dreikönigstag des Jahres 1904 traf sich im Gasthof Michael Römisch am Marktplatz (heute Gaul) eine lustige Gesellschaft junger Männer. Es waren meist Eisenbahner, die zugezogen waren. Auf ihren Dienstfahrten hatten sie in Mannheim den rheinischen Karneval kennen gelernt, in dessen Mittelpunkt ein närrischer Umzug stand. Das alte Laudaer Brauchtum kannten sie nicht, vor allem seinen Sinn und Ursprung. Sie gaben aber den verfemten Faschebouze eine Heimat im „Lumpenball“ und beschlossen, eine Narrengesellschaft zu gründen mit dem Ziel, eine neue Straßenfasnacht mit Umzügen aufzubauen. Diesem Kreis gehörten folgende Herren an: Jean und Philipp Dürré, Jakob Hildebrand, Franz Hofmann, Peter und Karl Kleinhans, Heinrich Lenes, Albert Reiner, Georg Saueracker, Gustav Schön und Wilhelm Veit. Unterstützt wurden ihre Bestrebungen durch einen Ausschuss; ihm gehörten an: Johann Dierauf, Stadtrat, Dr. Ludwig Hemmerich, August König, Karl Jung, Melchior Stark, Peter Weber, Josef Weinreuter und Anton Zürn.
Gestützt auf den Einfluss dieser älteren Generation gewann die Narrengesellschaft Rückhalt gegenüber den Behörden. Die Stadtverwaltung, an der Spitze der damalige Bürgermeister G. Vierneisel, kam dem Verein großzügig entgegen. Auch die Bevölkerung Laudas zeigte sich aufgeschlossen; einer der größten Gönner war Steuerkommissar Müller.
In dieser damals noch „Goldenen Zeit“ vor dem ersten Weltkrieg war zwar viel Geld unter den Leuten, aber man drehte den Pfennig zweimal um, ehe man ihn einmal ausgab. Für 20 Pfennig bekam man 7 Zigarren, für 50 Pfennig ein Schweinerippchen mit Brot und Bier. Ein Narrenzug aber kostete viel Geld. Für diese Idee mussten die Leute erst gewonnen werden.
Da entschloss sich Jean Dürré, das Geld bei den Laudaer Bürgern zu sammeln. Er lieh bei Rektor Schmieg eine Violine und zog als Zigeuner verkleidet von Haus zu Haus. Auf diese Weise sammelte er das Geld in größeren und kleineren Beträgen. Von den höheren Beamten der Bahn, von der Apotheke Hammel, vom Bürgermeister, von Dekan Kerber und den Gastwirten bekam er 5 Mark, sonst im Durchschnitt 80 Pfennig. Er brachte so 480 Mark zusammen. Damenschneider Gustav Schön und Schneidermeister Veit boten sich an, die Kostüme zu nähen; Samt und Stoffe wurden in Würzburg gekauft. Die Schneider arbeiteten mit 20 Nähmädchen. Bürgermeister Vierneisel erteilte gern Erlaubnis für den Umzug, für Kappenabende und Bälle. Dabei wurde die Polizeistunde immer genau eingehalten.
Die Kappenabende ersetzten die späteren Fremdensitzungen; sie fanden in allen Wirtschaften statt. Hier wurden in humorvoller Weise die Stadtbegebenheiten auf's Korn genommen. Der originellste Kappenabend fand immer in der Gastwirtschaft und Bäckerei Sebastian Bauer, heute Schwarz, am Rathausplatz statt; die Teilnehmer mussten durch die Fenster einsteigen.
Dekorateur des ersten Maskenumzugs war Philipp Dürré. Es kamen damals 18 Wagen und Fußgruppen zustande, gezeigt wurden vor allem Märchenbilder. Der erste Prinz war Adam Wöppel, die Prinzessin Julius Sans und später auch Ferdinand Römer. Hier kam noch uraltes Brauchtum zum Durchbruch. Nur ehrbare junge Männer durften sich maskieren, keine Frauen, darum mussten Frauengestalten durch Burschen dargestellt werden wie im alten Theater. Die Geschäftsleute stellten die Wagen, die Bauern die Gespanne.
Der zweite Maskenzug fand im Jahre 1905 statt; er kostete 1200 Mark. Um das Geld aufzubringen, wurden Propagandafahrten in die Umgebung Laudas bis in den Gau durchgeführt. Autos gab es noch keine. Anstelle von Narrenzeitungen wurden große, hektographierte Programme für 10 Pfennig das Stück verkauft; in diesem Zug liefen 20 Wagen. Für den Maskenzug 1906, der meist historische Wagen zeigte, standen schon 4000 Mark zur Verfügung.
1907 fiel der Zug aus, weil Jean Dürré erkrankt war. 1908 brachte der Zug wieder 4000 Mark ein. Das Geld wurde verwendet, um neue Kostüme zu beschaffen. Im Jahre 1909 verzeichnete man den gleichen Erfolg. 1910 dauerte der Umzug fast 2 1/2 Stunden; es fuhren 42 Wagen. Die Kosten beliefen sich auf 4200 Mark; das war für die damalige Zeit viel Geld. Da in Lauda nicht genügend Pferde waren, spannte man an den Wagen der Besucher einfach die Pferde aus. Die Fahrer bekamen 2 Mark und freien Eintritt in alle Veranstaltungen. Die ganze Polizei der näheren Umgebung war aufgeboten und es verlief alles in bester Ordnung.
1912 wurde nochmals ein kleiner Zug durchgeführt, dann kam der Krieg. Erst vom Jahre 1930 an fanden wieder kleinere Umzüge statt. Damals nahmen sich folgende Herren um die Fasnacht an: Dr. Albert Bundschuh, Otto Beil, Dr. Hermann Hehn, Karl Lier, ein urwüchsiger Berliner, Karl Stieber, Linus und Oskar Vierneisel, Theodor Ganner, Gewerbelehrer in Lauda, aus seiner Heimat Hohenzollern mit der Fasnacht verwachsen, und Fred Warmuth.
1938 wurde wieder ein Umzug veranstaltet, ein größerer 1939. In beiden Jahren war Dr. Albert Bundschuh Präsident, 1938 sogar noch Prinz in einer Person. Er stiftete der Gesellschaft die Präsidentenkleidung für 400 Mark. 1939 wurden die jetzt noch zum Teil vorhandenen Kostüme für den Elferrat beschafft für 3000 RM. Das fehlende Geld wurde gesammelt. Jeder musste die Strumpfkappe tragen oder 1 RM Strafe zahlen. Damals wurde die Strumpfkappe zum Narrensymbol für die Laudaer Fasnacht. Sie war ein Teil der Laudaer Tracht aus früheren Jahrhunderten und hatte mit der Fasnacht eigentlich nichts zu tun.
Mit der Not des II. Weltkrieges ruhte die Fasnacht wieder. Erst im Jahre 1950 kam im Gasthaus Hammerschmitt, bei der „Marie“ geb. Raps eine Tischgesellschaft zusammen, die den Fasnachtsgedanken wieder aufleben ließ. Zu dieser Tafelrunde gehörten: Jean Dürré, Dr. Fritz Hemmerich, Franz Hofmann, Otto Nunn, Alex. Speier, Josef Schlötterlein, Richard Vierneisel, Fred Warmuth und Martin Popp. Sie nahmen eine große Trommel, Blasinstrumente aus Pappe, einen Schellenbaum und zogen durch Lauda. Eduard Mahler, der „Gaulleiter“, führte sie zum Bahnhof und zurück. Als sie am Bauernhof Wöppel ankamen, bot sich die „Ploschmieds Gretel“ als Prinzessin an. Sie stieg zu Jean Dürré in die Chaise und dieser ehrte sie durch einen Handkuss. Damit war diese Frau für die Fasnacht gewonnen. Sie wurde 3 Jahre lang weit über die Grenzen Laudas hinaus zu einem Begriff durch ihre Originalität.
Dieser Auftakt der Fasnacht nach dem 2. Weltkrieg stand unter dem Zeichen der amerikanischen Besetzung. Die alte Vorstandschaft der Narrengesellschaft war ausgeschaltet, vor allem der verdiente Präsident Dr. Albert Bundschuh. Die Amerikaner hatten lange Jahre sein Haus beschlagnahmt. Die Tafelrunde von 1950 handelte ohne Einverständnis der Narrengesellschaft; das konnte sie nicht, denn die Gesellschaft war ein eingetragener Verein. Über die Kostüme konnte nur der Verein verfügen. Er war übrigens im Vereinsregister nie gelöscht worden.
1951 trat die alte Narrengesellschaft von 1904 wieder in Tätigkeit. Es war vor allem Dr. Bundschuh, der den Anlass dazu gab. Die erste Zusammenkunft fand bei Adolf Hammerschmitt statt; hier wurden Präsident und Obernarr neu gewählt. Für den erkrankten Ferdinand Sans sprang Dr. Bundschuh als Präsident ein, Linus Vierneisel wurde Obernarr, Jean Dürré aber zum Ehren-Obernarren ernannt. Ab 1952 präsidierte Karl Stieber. Nun wurden auch wieder Umzüge veranstaltet bis 1954. Große Opfer brachte Fred Warmuth, er verwaltete nicht nur gewissenhaft das wertvolle Inventar, sondern war auch immer da, wenn es galt die Züge zu gestalten. Auch die Durchführungen und Ausgestaltung der Fremdensitzungen brachte viel Arbeit.
Damals bildete sich der Kegelclub „Bad Wanno“ im Gasthaus Hammerschmitt; es waren junge Leute mit Humor. Zu ihnen gehörten u. a. Edgar Karl, Walter Vierneisel und Fritz Zipperer. Sie stießen geschlossen zur Narrengesellschaft; Walter Vierneisel wurde 1953 bereits Vize-Präsident und 1954 Präsident.
1951 gründete die Narrengesellschaft Lauda zusammen mit Buchen, Walldürn und Adelsheim in Buchen den Fränkischen Narrenring. K. Stieber wurde Vorstandsmitglied dieser Vereinigung. In diesem Jahr feierte Lauda mit der 600 Jahrfeier auch das 400jährige Bestehen seiner Fasnacht und beteiligte sich an dem 1. Fränk. Narrentreffen in Buchen. 1952 hatte Lauda die Ehre, das Narrentreffen in seinen Mauern durchzuführen. Frau Gretel Lotterer feierte Triumpfe, wo sie im Frankenland in die Bütt stieg. Im Frühjahr 1953 verließ diese Frau ihre Heimat, um mit ihrer Familie nach Kanada auszuwandern. Halb Lauda war am Bahnhof, Bürgermeister Stephan mit der Stadtkapelle, um der Frau „mit dem Göiker uffem Hut“ nochmals zu danken für die frohen Stunden, die sie ihren Mitbürgern nach dem schweren Krieg geschenkt hatte. Die Frau verband Schlagfertigkeit, urwüchsigen Humor, genaue Kenntnis der Laudaer Mentalität und des Dialekts mit einem schauspielerischen Talent, dass jeder mitgerissen wurde.
Jean Dürré aber gebührt die Ehre, dem Fasnachtsgedanken in Lauda 50 Jahre treu geblieben zu sein, bis in sein hohes Alter. Vergessen wird er nicht, da er beim Neubau des Schulhauses 1912 seinen Namen als Vorstand der Narrengesellschaft und des „armen“ Schützenvereins, den er zusammen mit Georg Saueracker gegründet hatte, in die Grundlegungsurkunde eintrug.
Heute droht die Fasnacht wie der Sport zu einem Geschäft zu werden. Das alte bodenständige Brauchtum stirbt aus, wenn es uns nicht gelingt, ihm im Rahmen des modernen Faschings, aber gesondert von diesem eine Möglichkeit zu geben, seinen urwüchsigen Gehalt darzubieten. Nur dadurch könnten wir die „Laudemer Faschenoochd“ hinüberretten in die neue Zeit und sie zu einem Anziehungspunkt für Fremde machen. Nur so werden Bouzen und Hexen, beides geschichtliche Figuren unserer kleinen Stadt, in größeren Gruppen das alte Brauchtum lebendig machen. Das ist nicht Sache der Schulkinder allein, sondern der heranwachsenden Jugend. Dazu gehört das Feuer, das gespenstige Dunkel des Abends, und die Kulisse des oberen Marktes mit der alten Schmiede. Diese Szenerie bietet die Möglichkeit, ohne große Aufbauten den Zuschauern die Gelegenheit zu geben, die Akteure zu erleben, die aus den Seitengassen auftreten, um zum Abschluss im Scheine der Fackeln durch die Straßen der Stadt zu ziehen. Nur so bringen wir das alte Brauchtum wieder auf die Straße, heraus aus dem „Lumpenball“ und wecken dadurch das Interesse der älteren Generation, deren Unterstützung wir brauchen. In den Lumpenball bringen wir diese Kreise nicht, wir müssen zu ihnen.
Die Narrengesellschaft hat heute noch große Idealisten. Es wäre wirklich schade, wenn ihr beispielhafter Einsatz in dem Sumpf öder Geschäftshuberei ersticken würde. Gerade dieser jungen Generation fällt die schöne Aufgabe zu, altes Brauchtum zu neuem Leben zu wecken. Sie kann dieses Ziel nur erreichen, wenn eine verständnisvolle Stadtverwaltung es verhindert, dass der Rahmen, der dazu gehört wie zu jedem Bild, nicht durch moderne Bauten zerstört wird.
Buchen hat im Frankenland bahnbrechend gewirkt, Sepp Biehler hat in Boxberg nach oberbadischem Muster die Fasnacht als Brauch neu aufgebaut, die alte Laudaer Fasnacht aber ist im Stadtarchiv verbürgt wie keine andere. Lebendig kann sie nur dann wieder werden, wenn sie im Rahmen der heutigen Fasnacht gesondert gepflegt wird, vor allem ohne den Hintergedanken, ein Geschäft daraus zu machen.
Am Dreikönigstag des Jahres 1904 traf sich im Gasthof Michael Römisch am Marktplatz (heute Gaul) eine lustige Gesellschaft junger Männer. Es waren meist Eisenbahner, die zugezogen waren. Auf ihren Dienstfahrten hatten sie in Mannheim den rheinischen Karneval kennen gelernt, in dessen Mittelpunkt ein närrischer Umzug stand. Das alte Laudaer Brauchtum kannten sie nicht, vor allem seinen Sinn und Ursprung. Sie gaben aber den verfemten Faschebouze eine Heimat im „Lumpenball“ und beschlossen, eine Narrengesellschaft zu gründen mit dem Ziel, eine neue Straßenfasnacht mit Umzügen aufzubauen. Diesem Kreis gehörten folgende Herren an: Jean und Philipp Dürré, Jakob Hildebrand, Franz Hofmann, Peter und Karl Kleinhans, Heinrich Lenes, Albert Reiner, Georg Saueracker, Gustav Schön und Wilhelm Veit. Unterstützt wurden ihre Bestrebungen durch einen Ausschuss; ihm gehörten an: Johann Dierauf, Stadtrat, Dr. Ludwig Hemmerich, August König, Karl Jung, Melchior Stark, Peter Weber, Josef Weinreuter und Anton Zürn.
Gestützt auf den Einfluss dieser älteren Generation gewann die Narrengesellschaft Rückhalt gegenüber den Behörden. Die Stadtverwaltung, an der Spitze der damalige Bürgermeister G. Vierneisel, kam dem Verein großzügig entgegen. Auch die Bevölkerung Laudas zeigte sich aufgeschlossen; einer der größten Gönner war Steuerkommissar Müller.
In dieser damals noch „Goldenen Zeit“ vor dem ersten Weltkrieg war zwar viel Geld unter den Leuten, aber man drehte den Pfennig zweimal um, ehe man ihn einmal ausgab. Für 20 Pfennig bekam man 7 Zigarren, für 50 Pfennig ein Schweinerippchen mit Brot und Bier. Ein Narrenzug aber kostete viel Geld. Für diese Idee mussten die Leute erst gewonnen werden.
Da entschloss sich Jean Dürré, das Geld bei den Laudaer Bürgern zu sammeln. Er lieh bei Rektor Schmieg eine Violine und zog als Zigeuner verkleidet von Haus zu Haus. Auf diese Weise sammelte er das Geld in größeren und kleineren Beträgen. Von den höheren Beamten der Bahn, von der Apotheke Hammel, vom Bürgermeister, von Dekan Kerber und den Gastwirten bekam er 5 Mark, sonst im Durchschnitt 80 Pfennig. Er brachte so 480 Mark zusammen. Damenschneider Gustav Schön und Schneidermeister Veit boten sich an, die Kostüme zu nähen; Samt und Stoffe wurden in Würzburg gekauft. Die Schneider arbeiteten mit 20 Nähmädchen. Bürgermeister Vierneisel erteilte gern Erlaubnis für den Umzug, für Kappenabende und Bälle. Dabei wurde die Polizeistunde immer genau eingehalten.
Die Kappenabende ersetzten die späteren Fremdensitzungen; sie fanden in allen Wirtschaften statt. Hier wurden in humorvoller Weise die Stadtbegebenheiten auf's Korn genommen. Der originellste Kappenabend fand immer in der Gastwirtschaft und Bäckerei Sebastian Bauer, heute Schwarz, am Rathausplatz statt; die Teilnehmer mussten durch die Fenster einsteigen.
Dekorateur des ersten Maskenumzugs war Philipp Dürré. Es kamen damals 18 Wagen und Fußgruppen zustande, gezeigt wurden vor allem Märchenbilder. Der erste Prinz war Adam Wöppel, die Prinzessin Julius Sans und später auch Ferdinand Römer. Hier kam noch uraltes Brauchtum zum Durchbruch. Nur ehrbare junge Männer durften sich maskieren, keine Frauen, darum mussten Frauengestalten durch Burschen dargestellt werden wie im alten Theater. Die Geschäftsleute stellten die Wagen, die Bauern die Gespanne.
Der zweite Maskenzug fand im Jahre 1905 statt; er kostete 1200 Mark. Um das Geld aufzubringen, wurden Propagandafahrten in die Umgebung Laudas bis in den Gau durchgeführt. Autos gab es noch keine. Anstelle von Narrenzeitungen wurden große, hektographierte Programme für 10 Pfennig das Stück verkauft; in diesem Zug liefen 20 Wagen. Für den Maskenzug 1906, der meist historische Wagen zeigte, standen schon 4000 Mark zur Verfügung.
1907 fiel der Zug aus, weil Jean Dürré erkrankt war. 1908 brachte der Zug wieder 4000 Mark ein. Das Geld wurde verwendet, um neue Kostüme zu beschaffen. Im Jahre 1909 verzeichnete man den gleichen Erfolg. 1910 dauerte der Umzug fast 2 1/2 Stunden; es fuhren 42 Wagen. Die Kosten beliefen sich auf 4200 Mark; das war für die damalige Zeit viel Geld. Da in Lauda nicht genügend Pferde waren, spannte man an den Wagen der Besucher einfach die Pferde aus. Die Fahrer bekamen 2 Mark und freien Eintritt in alle Veranstaltungen. Die ganze Polizei der näheren Umgebung war aufgeboten und es verlief alles in bester Ordnung.
1912 wurde nochmals ein kleiner Zug durchgeführt, dann kam der Krieg. Erst vom Jahre 1930 an fanden wieder kleinere Umzüge statt. Damals nahmen sich folgende Herren um die Fasnacht an: Dr. Albert Bundschuh, Otto Beil, Dr. Hermann Hehn, Karl Lier, ein urwüchsiger Berliner, Karl Stieber, Linus und Oskar Vierneisel, Theodor Ganner, Gewerbelehrer in Lauda, aus seiner Heimat Hohenzollern mit der Fasnacht verwachsen, und Fred Warmuth.
1938 wurde wieder ein Umzug veranstaltet, ein größerer 1939. In beiden Jahren war Dr. Albert Bundschuh Präsident, 1938 sogar noch Prinz in einer Person. Er stiftete der Gesellschaft die Präsidentenkleidung für 400 Mark. 1939 wurden die jetzt noch zum Teil vorhandenen Kostüme für den Elferrat beschafft für 3000 RM. Das fehlende Geld wurde gesammelt. Jeder musste die Strumpfkappe tragen oder 1 RM Strafe zahlen. Damals wurde die Strumpfkappe zum Narrensymbol für die Laudaer Fasnacht. Sie war ein Teil der Laudaer Tracht aus früheren Jahrhunderten und hatte mit der Fasnacht eigentlich nichts zu tun.
Mit der Not des II. Weltkrieges ruhte die Fasnacht wieder. Erst im Jahre 1950 kam im Gasthaus Hammerschmitt, bei der „Marie“ geb. Raps eine Tischgesellschaft zusammen, die den Fasnachtsgedanken wieder aufleben ließ. Zu dieser Tafelrunde gehörten: Jean Dürré, Dr. Fritz Hemmerich, Franz Hofmann, Otto Nunn, Alex. Speier, Josef Schlötterlein, Richard Vierneisel, Fred Warmuth und Martin Popp. Sie nahmen eine große Trommel, Blasinstrumente aus Pappe, einen Schellenbaum und zogen durch Lauda. Eduard Mahler, der „Gaulleiter“, führte sie zum Bahnhof und zurück. Als sie am Bauernhof Wöppel ankamen, bot sich die „Ploschmieds Gretel“ als Prinzessin an. Sie stieg zu Jean Dürré in die Chaise und dieser ehrte sie durch einen Handkuss. Damit war diese Frau für die Fasnacht gewonnen. Sie wurde 3 Jahre lang weit über die Grenzen Laudas hinaus zu einem Begriff durch ihre Originalität.
Dieser Auftakt der Fasnacht nach dem 2. Weltkrieg stand unter dem Zeichen der amerikanischen Besetzung. Die alte Vorstandschaft der Narrengesellschaft war ausgeschaltet, vor allem der verdiente Präsident Dr. Albert Bundschuh. Die Amerikaner hatten lange Jahre sein Haus beschlagnahmt. Die Tafelrunde von 1950 handelte ohne Einverständnis der Narrengesellschaft; das konnte sie nicht, denn die Gesellschaft war ein eingetragener Verein. Über die Kostüme konnte nur der Verein verfügen. Er war übrigens im Vereinsregister nie gelöscht worden.
1951 trat die alte Narrengesellschaft von 1904 wieder in Tätigkeit. Es war vor allem Dr. Bundschuh, der den Anlass dazu gab. Die erste Zusammenkunft fand bei Adolf Hammerschmitt statt; hier wurden Präsident und Obernarr neu gewählt. Für den erkrankten Ferdinand Sans sprang Dr. Bundschuh als Präsident ein, Linus Vierneisel wurde Obernarr, Jean Dürré aber zum Ehren-Obernarren ernannt. Ab 1952 präsidierte Karl Stieber. Nun wurden auch wieder Umzüge veranstaltet bis 1954. Große Opfer brachte Fred Warmuth, er verwaltete nicht nur gewissenhaft das wertvolle Inventar, sondern war auch immer da, wenn es galt die Züge zu gestalten. Auch die Durchführungen und Ausgestaltung der Fremdensitzungen brachte viel Arbeit.
Damals bildete sich der Kegelclub „Bad Wanno“ im Gasthaus Hammerschmitt; es waren junge Leute mit Humor. Zu ihnen gehörten u. a. Edgar Karl, Walter Vierneisel und Fritz Zipperer. Sie stießen geschlossen zur Narrengesellschaft; Walter Vierneisel wurde 1953 bereits Vize-Präsident und 1954 Präsident.
1951 gründete die Narrengesellschaft Lauda zusammen mit Buchen, Walldürn und Adelsheim in Buchen den Fränkischen Narrenring. K. Stieber wurde Vorstandsmitglied dieser Vereinigung. In diesem Jahr feierte Lauda mit der 600 Jahrfeier auch das 400jährige Bestehen seiner Fasnacht und beteiligte sich an dem 1. Fränk. Narrentreffen in Buchen. 1952 hatte Lauda die Ehre, das Narrentreffen in seinen Mauern durchzuführen. Frau Gretel Lotterer feierte Triumpfe, wo sie im Frankenland in die Bütt stieg. Im Frühjahr 1953 verließ diese Frau ihre Heimat, um mit ihrer Familie nach Kanada auszuwandern. Halb Lauda war am Bahnhof, Bürgermeister Stephan mit der Stadtkapelle, um der Frau „mit dem Göiker uffem Hut“ nochmals zu danken für die frohen Stunden, die sie ihren Mitbürgern nach dem schweren Krieg geschenkt hatte. Die Frau verband Schlagfertigkeit, urwüchsigen Humor, genaue Kenntnis der Laudaer Mentalität und des Dialekts mit einem schauspielerischen Talent, dass jeder mitgerissen wurde.
Jean Dürré aber gebührt die Ehre, dem Fasnachtsgedanken in Lauda 50 Jahre treu geblieben zu sein, bis in sein hohes Alter. Vergessen wird er nicht, da er beim Neubau des Schulhauses 1912 seinen Namen als Vorstand der Narrengesellschaft und des „armen“ Schützenvereins, den er zusammen mit Georg Saueracker gegründet hatte, in die Grundlegungsurkunde eintrug.
Heute droht die Fasnacht wie der Sport zu einem Geschäft zu werden. Das alte bodenständige Brauchtum stirbt aus, wenn es uns nicht gelingt, ihm im Rahmen des modernen Faschings, aber gesondert von diesem eine Möglichkeit zu geben, seinen urwüchsigen Gehalt darzubieten. Nur dadurch könnten wir die „Laudemer Faschenoochd“ hinüberretten in die neue Zeit und sie zu einem Anziehungspunkt für Fremde machen. Nur so werden Bouzen und Hexen, beides geschichtliche Figuren unserer kleinen Stadt, in größeren Gruppen das alte Brauchtum lebendig machen. Das ist nicht Sache der Schulkinder allein, sondern der heranwachsenden Jugend. Dazu gehört das Feuer, das gespenstige Dunkel des Abends, und die Kulisse des oberen Marktes mit der alten Schmiede. Diese Szenerie bietet die Möglichkeit, ohne große Aufbauten den Zuschauern die Gelegenheit zu geben, die Akteure zu erleben, die aus den Seitengassen auftreten, um zum Abschluss im Scheine der Fackeln durch die Straßen der Stadt zu ziehen. Nur so bringen wir das alte Brauchtum wieder auf die Straße, heraus aus dem „Lumpenball“ und wecken dadurch das Interesse der älteren Generation, deren Unterstützung wir brauchen. In den Lumpenball bringen wir diese Kreise nicht, wir müssen zu ihnen.
Die Narrengesellschaft hat heute noch große Idealisten. Es wäre wirklich schade, wenn ihr beispielhafter Einsatz in dem Sumpf öder Geschäftshuberei ersticken würde. Gerade dieser jungen Generation fällt die schöne Aufgabe zu, altes Brauchtum zu neuem Leben zu wecken. Sie kann dieses Ziel nur erreichen, wenn eine verständnisvolle Stadtverwaltung es verhindert, dass der Rahmen, der dazu gehört wie zu jedem Bild, nicht durch moderne Bauten zerstört wird.
Buchen hat im Frankenland bahnbrechend gewirkt, Sepp Biehler hat in Boxberg nach oberbadischem Muster die Fasnacht als Brauch neu aufgebaut, die alte Laudaer Fasnacht aber ist im Stadtarchiv verbürgt wie keine andere. Lebendig kann sie nur dann wieder werden, wenn sie im Rahmen der heutigen Fasnacht gesondert gepflegt wird, vor allem ohne den Hintergedanken, ein Geschäft daraus zu machen.